TP 5 (Teil-)Projektbeschreibung

TP 5 NACHOS | Bereich: Umsetzung

Zentrale Fragestellung des Teilprojekts: 

Wie wirken soziale Prozesse und psychologische Motive als Feldkraft in Innovationsprozessen?

 

TP 5: Rekonstruktion der Feldkräfte in sozialen Netzwerken bei der Genese und Diffusion von 

           Innovationen

 (PI: Prof. Dr. Michael Dick | Co-PIs: Prof. Dr. Sabrina Jeworrek, Prof. Dr. Kersten Roth)

 

Die sozial und organisationspsychologische Forschung versteht Innovation als Prozess, in dem Phasen divergenten Denkens (Kreativität, Öffnung) mit Phasen des konvergenten Denkens (Analyse, Entscheidung) abwechseln. Sie konnte zeigen, dass Innovationen durch Kommunikation und Kooperation, insbesondere in informellen und unverbindlichen Zonen, entstehen. Die Ausübung von Macht, fehlendes Vertrauen oder starke formale Kontrolle gelten beispielsweise als hinderlich, förderlich sind bspw. kooperative Stile der Konfliktlösung, heterogen zusammengesetzte Teams oder die interdisziplinäre Vernetzung von Wissen (Scholl 2004; Bledow et al. 2009). Ähnliches gilt für komplexe Transformationsprozesse (organizational change), die sowohl eine klare Vision benötigen (vom Ende her denken / creating a vision) als auch konkrete Ansatzpunkte (vom Ausgangspunkt her denken / creating a sense of urgency) (Kotter 1999).

Um Bedingungen und Dynamiken bei der Genese und Diffusion von Innovationen beschreiben zu können, soll dieses TP den Fokus auf das einzelne Unternehmen verlassen und regionale Netzwerke sowie interorganisationale Kooperations- und Wettbewerbsbeziehungen betrachten. Diese werden als dritte Organisationsform neben Markt und Hierarchie bezeichnet, die eine eigene unvorhersehbare Dynamik aufweisen (Sydow 1992, Endres 2022). Deren Strukturen reichen von fragilen und offenen Kooperationsformen mehrerer Partner bis zu verbindlichen strategischen Netzwerken zwischen Unternehmen. "Weak ties" bezeichnen diffuse und sich stetig verändernde Verbindungen und Grenzen, während "strong ties" stabile und kohäsive soziale Gemeinschaften beschreiben (Granovetter 1973). Besonders die schwachen Verbindungen, auch als "structural holes" verstanden (Burt 1992), gelten als lern- und innovationsförderlich (Scheidegger 2010, 146ff.; Powell & Grodall 2006).

Die Feldtheorie Kurt Lewins versteht menschliches Verhalten und kollektive Entwicklungsprozesse (Gruppendynamik) als Wirkung von Anziehungs- und Abstoßungskräften der sozialen und physischen Umwelt. Verhalten wird als Funktion aus Person und Umwelt gesehen (V=P*U). Die Umwelt beeinflusst sowohl die Intensität als auch die Richtung von Motivation und Verhalten. Kooperation und Wettbewerb, bzw. die Anreize dazu, sind in diesem Sinne ebenfalls wirksame Feldkräfte. Die Theorie der sozialen Interdependenz baut auf Lewins Feldtheorie auf und erklärt, dass geteilte Ziele Kooperationsprozesse fördern, wenn die Partner dazu aufeinander angewiesen sind (Deutsch 1973) und gemeinsame Ziele verfolgen. Sie ist vielfach empirisch belegt und hat konkrete Verfahren hervorgebracht, v.a. die Konstruktive Kontroverse (Johnson 2015). Sie wurde von Vollmer, Dick & Wehner (2015) für die Arbeits- und Organisationsforschung adaptiert und besagt, dass positive Interdependenz eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen interorganisationaler Kooperation ist.

Das Teilprojekt denkt Veränderungsprozesse vom Anfang (gesellschaftlicher Bedarf) und vom Ende (technische und wirtschaftliche Möglichkeiten) und versteht die jeweiligen Teilprozesse als Rückkoppelungsschleifen. Zum Einsatz kommen Methoden der Netzwerkanalyse, der Innovationsforschung, der Kreativitätsförderung, Partizipation und Entscheidungsunterstützung. Diese kollektiv und individuell wirkenden Feldkräfte (z.B. Ängste, Wünsche, Werte, Interessen, Motive …) werden so beschrieben, dass sie in wirtschaftswissenschaftliche Modelle einfließen und deren Prognosekraft verbessern können. Umgekehrt können die neu entstandenen Modelle relevante Zusammenhänge visualisieren und verständlich aufbereiten, um die Dialogprozesse im gesamten Netzwerk zu unterstützen.

Letzte Änderung: 25.08.2025 -
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